Lessing-Akzente 2024 erfolgreich beendet

Die aufgeklärten Enzyklopädien Europas und der deutsche Aufklärer Gotthold Ephraim Lessing

Mit einer kleinen, aber feinen Veranstaltung endete am 20. März die diesjährige Veranstaltungsreihe „Lessing-Akzente“. Ina Ulrike Paul, Professorin für Neuere deutsche und europäische Geschichte am Friedrich-Meinecke-Institut der FU Berlin, widmete sich unter dem fast etwas barock anmutenden Titel „Die aufgeklärten Enzyklopädien Europas und der deutsche Aufklärer Gotthold Ephraim Lessing“ zum einen der Entstehung  und Entwicklung der Enzyklopädien im 18. Jahrhundert und des Gebrauchs dieser durch Lessing, besonders in seiner Wolfenbütteler Zeit an der Herzog August Bibliothek, an der er seit 1770 als Bibliothekar arbeitete.

Enzyklopädien – ein europäisches Phänomen im 18. Jahrhundert

Enzyklopädien waren ein europäisches Phänomen der Aufklärung – erste Ausgaben gab es bereits im 17. Jahrhundert. Sie waren, so die Referentin in einer ihrer Publikationen „vielleicht die Lieblingsmedien im Zeitalter der Aufklärung und der Vernunft. Ihr gemeinsames Anliegen war es, so vollständig wie irgend möglich die neuen Ideen, die modernen Denkformen und das davon revolutionierte Wissen allen Interessierten zugänglich zu machen.“ Sie wiesen im Prinzip drei neue Merkmale auf: sie waren landestypisch und landessprachlich – nicht mehr in Latein – verfasst, verfügten über eine alphabetische Struktur, so dass der Zugang leichter war als bei einer systematischen Darstellung, und sie wandten sich an eine finanzkräftige, gebildete und interessierte Öffentlichkeit, d.h. es wurde ein neues über den Kreis der Theologen, Gelehrte und Wissenschaftler hinausgehendes Lesepublikum (für „Künstler und Handwercker, Hauswirthe und Kaufleute“ in § 13 Vorrede zum „Grosse[n] vollständige[n] Universallexicon Aller Wissenschafften und Künste“) erschlossen. Sie waren damit ein Teil der im 18. Jahrhundert beginnenden sogenannten „Leserevolution“, wobei natürlich einschränkend gesagt werden muss, dass vermutlich nur 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung lesen konnten und die Leserinnen und Leser zum großen Teil aus der städtischen Bevölkerung entstammten. Enzyklopädien lagen also damals – im vorgegebenen Rahmen – im Trend und waren sowohl ein idealistisches Vorhaben der Aufklärer als auch ein ökonomisches Unterfangen der Buchdrucker und -verleger. Beides trug zu einer vergleichsweise großen Verbreitung der Enzyklopädien, Wörterbücher und Universallexika bei.

Zum Abschluss der Lessing-Akzente: Professorin Ina Ulrike Paul im Röhrmeisterhaus

Lessing in Wolfenbüttel

Für Lessing war sein Ankommen in Wolfenbüttel und seine Anstellung als Bibliothekar ein glücklicher Umstand, zumindest dahingehend, dass er nach einem unsteten Leben, finanzielle Sicherheiten erlangen konnte, die er so zuvor nicht gehabt hatte. Er war dadurch auch in der Lage, eine bürgerliche Existenz zu begründen, die die Ehe mit Eva König erlaubte, auch wenn dieser Beziehung und der daraus hervorgegangenen Tochter kein gutes Schicksal beschieden war. Hinsichtlich seines Amtes als herzoglicher Bibliothekar schreibt Lessing an seinen Vater am 27. Juli 1770: „Das allerbeste aber ist die Bibliothek, die Ihnen schon dem Ruhme nach bekannt seyn muß, die aber noch weit vortrefflicher gefunden habe, als ich sie mir jemals eingebildet hätte. Ich kann meine Bücher, die ich aus Noth [habe] verkauffen müssen, nun sehr wohl vergessen. […] Eigentliche Amtsgeschäfte habe ich dabey keine andere, als die ich mir selbst machen will.“ Lessing selbst hat als Mensch und Gelehrter – und sicher auch als Literat und Dramatiker – von der Existenz der Enzyklopädien profitiert. Besonders als Bibliothekar, mit einem doch recht schmalen Ankaufsetat, war er ein Bücherkenner und er hatte den intellektuellen Spürsinn, um auch Enzyklopädien für die Wolfenbütteler Bibliothek anzukaufen. Und es waren nicht irgendwelche, sondern solche, die man heute als „State of Art“ bezeichnen würde, z.B. die Encyclopédie, ou Dictionnaire universel raisonné des connaissances humaines (42 Bände und 6 Supplementbände, erschienen 1770–1776) von Fortuné-Barthélemy De Félice oder die „Oekonomische Encyclopädie oder allgemeines System der Staats-, Haus- u. Landwirthschaft, in alphabetischer Ordnung“ (6 Bänder von 1773 – 1779, später bis 1858 auf 242 Bänder erweitert) von Johann Georg Krünitz. Insofern hat Lessing auch auf diese Weise zur Verbreitung aufkläreischer Ideen, wie die der Freiheit des Denkens, der Vernunft oder der allgemeinen Humanität beigetragen.

Oeconomische Encyclopädie, Berlin 1779

Die diesjährigen Lessing-Akzente – Eine Erfolgsgeschichte

Mit elf gut besuchten Veranstaltungen wussten die Kamenzer Lessing-Akzente, gemeinhin auch als „Kleine Lessing-Tage“ bezeichnet, auch in diesem Jahr zu überzeugen. Die Organisatoren und Verantwortlichen – das Lessing-Museum, das DADA-Zentrum Kamenz, die Arbeitsstelle für Lessing-Rezeption, der Bereich „Stadtgeschichtliche Ausstellung“ im Malzhaus sowie der Kamenzer Klub „G.E. Lessing“ boten den Kamenzerinnen und Kamenzern sowie auswärtigen Besuchern ein attraktives, nachdenkliches, historisch interessantes, vielseitiges und anspruchsvolles Programm: von einer unkonventionellen Theateraufführung des „Nathan“, dem spannenden Mit-Mach-Angebot in Form einer Taschenlampenführung im Lessing-Museum, über Lessings „Nathan “ am Broadway oder der Buchvorstellung über die Aufklärung im 18. Jahrhundert aus Frauensicht hinzu zu einem Vortrag über den historischen Wandel der Kunstfigur „Loreley“ und eben zu der letzten Veranstaltung über die Enzyklopädien im 18. Jahrhundert (Alle Themen aufzuzählen, würde den Platz sprengen, aber sie fallen ebenso in die Charakterisierung der Veranstaltungsreihe  hinein bzw. haben diese mitgeprägt). Man kann sicher sein, dass zu den Kamenzer Lessing-Tage 2025, dem geschichtlichen Jubiläumsjahr von Kamenz, auf das dann sicherlich in der einen oder anderen Weise Bezug genommen wird, ein ebenso, dann noch – Lessing-Preis-Verleihung – in einem größeren Maßstab ansprechendes Programmangebot unterbreiten wird.

Thomas Käppler

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