Zum 100. Todestages von Dr. Friedrich Walter Dittrich

Es war ein schwarzer Tag für die Stadt Kamenz, dieser 28. Oktober 1925. Es war im Festjahr zur 700 Jahrfeier, wo man traurige Nachrichten nicht haben möchte. Und dennoch passierte das Unfassbare. Die Stadt verlor an diesem Tag kurz vor 6.00 Uhr morgens ihren Ersten Bürgermeister, Dr. Friedrich Walter Dittrich. Er verstarb im Alter von nur 48 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit.

Sein 100. Todestag am 28. Oktober 2025, im Festjahr zur 800 Jahrfeier, ist uns ein besonderer Anlass an ihn und seine Arbeit hier in Kamenz zu erinnern.

Die Situation im Rathaus am Anfang des Jahres 1914 war, dass der Vorgänger von Dr. Dittrich, der Bürgermeister Dr. Oswin Julius Feig am 12. Oktober 1914 verstorben war, aber die Amtsgeschäfte bereits seit August 1913 infolge seiner schweren Krankheit nicht mehr ausführen konnte.

Die Kamenzer Stadträte Justizrat Dr. Voigt und Dr. Sigismund vertraten den Bürgermeister interimsmäßig über fast 4 Jahre, aber Dr. Voigt erklärte im März 1918, dass er die Arbeit nicht mehr schaffen kann. Der Stadtrat entschied daraufhin, die Bürgermeisterstelle zu diesem Zeitpunkt öffentlich auszuschreiben, obwohl der 1. Weltkrieg noch nicht zu Ende war und man weiterhin akzeptieren musste, dass potenziell geeignete Herren noch ‚im Felde‘, d.h. im Kriegsdienst waren.

Es begann mit einem Inserat vom 28. März 1918 in den Leipziger ‚Neuesten Nachrichten‘, dem ‚Dresdener Anzeiger‘ und der ‚Sächsischen Staatszeitung‘. Man suchte geeignete Herren, die die Befähigung zur Annahme eines selbständigen Richteramtes besitzen und mehrjährige Erfahrung im Verwaltungsdienst haben. Darauf folgend erreichten die Stadt ca. 26 Bewerbungen, unter ihnen die von Dr. Dittrich.

Er wurde am 10. September 1877 in Dresden als Sohn des Oberbuchhalters bei der Königlich Sächsischen Staatsschuldenverwaltung und Hofrates Friedrich Otmar Dittrich geboren. Über seine Mutter erfahren wir im Bewerbungsschreiben nichts. Er besuchte das Dresdener Kreuzgymnasium und studierte Rechts- und Staatswissenschaften in Leipzig und Tübingen. 1903 bestand er die erste und 1907 die zweite juristische Staatsprüfung.

1908 trat er den Dienst bei der Stadt Dresden an, zunächst als juristische Hilfskraft, 1912 als Stadtamtmann. Er war Leiter des Kriegsunterstützungsamtes und aufgrund dieser Tätigkeit vom Kriegsdienst zurückgestellt.

Für die Unterstützung seiner Bewerbung erhielt die Stadt Kamenz von einem früheren Kollegen ein Befürworterschreiben, was sich bis heute erhalten hat. Daraus erfahren wir Wesentliches zu seinen persönlichen Vorzügen. Dieser Jurist, Herr Wolf aus Welzow beschreibt Dr. Dittrich als den geborenen Bürgermeister einer mittleren Stadt, d.h. als einen Menschen, der in besonderem Masse umgängliche Formen besitzt, Verständnis für die besonderen Verhältnisse einer solchen Stadt hat und es versteht, Gegensätze auszugleichen. Er informierte auch darüber, dass Dittrich eine völlige Neuorganisation des Dresdener Kriegsunterstützungsamtes durchgeführt hat. Er führte aus, dass er eine selten vielseitige kommunale Ausbildung und Erfahrung besitzt.

Dittrich kommt in die engere Wahl und erhält von den Abgeordneten 14 Ja-Stimmen von insgesamt 22 zu vergebenden Stimmen. 6 Stimmen gehen an den Kamenzer Mitbewerber Dr. Kroker und 2 Stimmen an Dr. Sigismundt, welcher teilweise schon interimsmäßig das Amt ausführte.

Am 22. Juni 1918 erhält Dr. Dittrich das Zuschlagsschreiben. Aber es war noch Krieg zu dieser Zeit. Die Stadt Kamenz musste für den neuen Bürgermeister ein Zurückstellungsgesuch an das Königliche Generalkommando des Armeekorps stellen und um eine Freistellung vom Heeresdienst bitten, denn in dem Moment der Kündigung seiner Dresdener Stelle war er wieder für die Front einsetzbar.

Die Amtseinweisung erfolgte am 28. August 1918.im Bürgersaal des Rathauses in Gegenwart der städtischen Körperschaften, der Geistlichkeit, der Spitzen der kaiserlichen und königlichen Behörden, und der hiesigen Truppenteile und des Klosterprobstes – auch Bürger der Stadt erhielten gegen Einladungskarten Zutritt. Selbstverständlich wurde auch die Beamtenschaft hinzugezogen. Für die Teilnahme an der Feier wurde ein Dress-Code angeordnet und nur wer ihn befolgte, erhielt Einlass.

Eigentlich sollte zum Dienstantritt von Dr. Dittrich neues Parkett im Dienstzimmer verlegt werden.  Aufgrund der hohen Kosten wurde das jedoch verworfen und es gab nur neues Linoleum. Es wurden außerdem 2 neue Stühle gekauft und 2 Stühle wurden ‚vorgerichtet‘, d.h. repariert oder restauriert und 1 neuer Schreibtischsessel wurde gekauft.

Nach 4jähriger Dienstzeit, am 14. Juli 1922, wird in geheimer Wahl abgestimmt über die Wahl von Dr. Dittrich zum Bürgermeister auf Lebenszeit durch Rat und Stadtverordnetenkollegium. Von 27 Stimmen stimmten davon 15 für ja, 10 für nein und 2 enthielten sich der Stimme. Die Entscheidung viel relativ knapp aus, trotzdem war es ein großer Erfolg und Anerkennung für seine bisherige 4jährige Arbeit. Niemand ahnte damals, dass die Lebenszeit nur noch 3 Jahre dauern würde.

Aus dem Kamenzer Tageblatt vom 29. Oktober 1925 erfahren wir wesentliche Ergebnisse seiner Arbeit: „In der Revolutionszeit mit ihren Nachwirkungen hat er es immer verstanden, durch geschicktes Eingreifen vermittelnd zu wirken und größere Unruhen zu verhindern. Dann kam die Zeit der Inflation, unter der auch die Städte schwer zu leiden hatten.

Der Initiative des Verstorbenen gelang es auch in dieser kritischen Periode unser Stadtwesen vor schweren Erschütterungen zu bewahren. Unter seiner Leitung hat die Stadt Kamenz in mannigfaltiger Beziehung einen erfreulichen Aufschwung genommen. Durch die Umsicht Dr. Dittrichs wurde das Vermögen der Stadt wesentlich erweitert, so u.a. durch den Ankauf der Rittergüter Reichenau, Koitzsch, und Straßgräbchen, auch der Waldbesitz der Stadt durch diese Rittergutskäufe ganz wesentlich vermehrt. Weiterhin ist auch der Flugplatz mit sämtlichen Gebäuden-, Gleis- und anderen Anlagen von der Stadt käuflich erworben, sowie der städtische Forststeinbruch eingerichtet und die Zementwarenfabrik Straßgräbchen weiter ausgebaut worden. Unbestrittenes Verdienst von Dr. Dittrich war ist die Einrichtung und Förderung der Girokasse bis zur Stadtbank in ihrer jetzigen Größe, die Neuorganisation und Umgestaltung der städtischen Verwaltungen und der zeitgemässe innere Ausbau des Rathauses. Auch in städtebaulicher Hinsicht hat die Stadt Kamenz unter seiner Amtszeit große Verbesserungen erfahren. So erfolgte der Ausbau der Kasernen zu 350 Wohnungen, wodurch der Wohnungsnot ganz erheblich gegengesteuert wurde, und es entstanden weiterhin die Siedlungsbauten hinter den Kasernen und die städtischen Wohnhäuser an der Moltke-Straße. Besondere Verdienste hat er sich ebenfalls um die Förderung der städtischen Anlagen erworben. Die des Hutberges erfuhren nach den Scheunen zu, eine wesentliche Erweiterung und stehen Neuanlagen rechts des Promenadenweges unmittelbar bevor. Die Anlagen auf dem Albertplatz geben Zeugnis, was auch auf diesem Gebiet dank der Anregungen des Verstorbenen geschaffen worden ist. Durch die Errichtung des Turmes wurde der Walberg als Aussichtspunkt erschlossen. Ein warmes Herz hatte Dr. Dittrich jederzeit für Kunst und Wissenschaft. Das städtische Theater erfuhr unter ihm wesentliche Verbesserungen in Bezug auf Beleuchtungs- und Garderobenverhältnisse. Durch seine Initiative hat er die Kunstausstellungen des Lausitzer Künstlerbundes, die in regelmäßigen Abständen in Kamenz gezeigt werden, hierher gebracht. In seine Amtszeit fällt auch der Ausbau der Realschule Kamenz zur Oberrealschule, sowie die Errichtung der Landwirtschaftlichen Schule.

Zu seinen weiteren Verdiensten zählt weiterhin die Errichtung der Kreditbank Kamenz, die in den jetzigen Zeiten größter Kapitalnot in wirtschaftlicher Beziehung äußerst segensreich wirkt.

Auch die Verbesserung des städtischen Feuerlöschwesens hat er sich angelegen sein lassen. So ist seiner Anregung u.a. die Anschaffung einer Motorspritze zu verdanken….

Infolge außerordentlicher reicher persönlicher Beziehungen zu Behörden und Industrie hat er Kamenz manchen Vorteil zu verschaffen gewusst…‘

Stadtarchiv Akte 1143  S. 238/239

Die Beerdigung fand am späten Nachmittag des Reformationsfestes 1925 statt. Laut Zeitungsberichten soll sich das Begräbnis zu einer Trauerkundgebung gestaltet haben, wie sie die Stadt seit langem nicht mehr erlebt hat. Unter den Klängen des Chopin‘schen Trauermarsches soll der Verstorbene gegen 14.00 Uhr von seiner Wohnung zum Hauptfriedhof gebracht worden sein. Tausende Menschen säumten den Weg des Trauerzuges. Vor dem Rathaus wurde eine Minute in stiller Andacht verweilt.

Vor der Beerdigung wurde der Sarg in die Hauptkirche gebracht, wo die Trauergemeinde wartete. Nach dem Trauergottesdienst wurde der Sarg hinausgetragen zur letzten Ruhestätte.

Bis zum Abendgottesdienst dauerte das Begräbnis. Der Sarg soll in eine Gruft hinabgelassen worden sein.

‚Einer der Besten der Stadt ist nun nicht mehr auf dieser Welt‘ Kamenzer Tageblatt v. 04.11.1925

Alle Angaben sind der Akte Nr. 1143 des Stadtarchives Kamenz entnommen.

Dipl.-Ing. Landschaftsarchitektin Erika Christine Tenne

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