Initiativen Zur Bewahrung des Gedenkens an die Opfer faschistischer Gewaltherrschaft in Kamenz

Nach der Machtübertragung am 30. Januar 1933 an die Nazipartei und die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler etablierte sich auch in Kamenz die braune NS-Herrschaft und begann mit der Umsetzung ihres Programms:
- staatliche Organe, Polizei, Justiz und Behörden wurden gleichge-
  schaltet;
- SA und andere Schlägertrupps wurden formiert.
Andererseits gab es auch in Kamenz mannigfaltige Proteste und Aktionen gegen die aufkommende Gefahr des deutschen Faschismus.
Auf Kundgebungen und Versammlungen, organisiert von sozialistischen Parteien und Gewerkschaften, erhoben viele Bürger ihre Stimme gegen Faschismus und Krieg.
Das Vorgehen der braunen Machthaber wurde immer brutaler und krimineller.
Unter dem Vorwand „zum Schutz von Volk und Staat“ lief alles auf die Ausschaltung der inneren Opposition hinaus. NSDAP, Polizei und braune SA organisierten in Kamenz eine regelrechte Jagd auf die „inneren Feinde“. Die vorhandenen Gefängniszellen reichten nicht mehr aus. An mehreren Stellen der Stadt und im Kreis wurden zusätzliche Internierungsorte für Antifaschisten und Hitlergegner eingerichtet, die zynisch „Schutzhaftlager“ genannt wurden.
Es waren die Vorläufer der bald in Sachsen und im ganzen Reich eingerichteten Konzentrationslager. Solche „Vorläufer“ wurden unter anderem im Kamenzer Kasernenbereich, in den Gebäuden der Spittelmühle, im Keller des Stadttheaters und in Stenz bei Königsbrück eingerichtet. Von hier gingen auch mehrere Gefangenentransporte direkt in ein erstes solches große Schutzhaftlager auf die Burg Hohnstein. Es waren nahezu dreißig Frauen und Männer aus Kamenz, die  von SA-Leuten, mitunter aber auch schon auf dem Transport von Polizisten gedemütigt und misshandelt wurden. Für viele von ihnen führte ihr weiterer Leidensweg durch die Frühen Konzentrationslager, wie auf der Burg Hohnstein, in die Gestapo-Zellen und Zuchthäuser von Dresden und Zwickau und die Konzentrationslager, wie z.B. Buchenwald.

„Was dann losging, war ungeheuerlich …“
- so die jüdische Philosophin und Publizistin Hannah Arendt 1964 in einem TV-Interview mit Günter Gaus – ist der Titel einer Wanderausstellung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, die in Kamenz in der Zeit vom 11. Februar bis 2. April 2009 gezeigt wurde. Sie will die durch spätere NS-Verbrechen im öffentlichen Bewusstsein überlagerten und oftmals in Vergessenheit geratenen frühen Konzentrationslager den Menschen von Heute – vor allem den jüngeren Generationen – wieder ins Bewusstsein rücken.
Nicht unerwähnt soll die Verfolgung und Ermordung von Menschen wegen ihrer religiösen Überzeugungen, wegen ihrer „rassischen“ Abstammung oder von körperlich und geistig Behinderter in der „Aktion T4“ bleiben. „Euthanasie und Zwangssterilisation in der Zeit des Nationalsozialismus in und um Kamenz“ ist der Titel einer Ausstellung, die die Ergebnisse der Forschungsarbeit einer Projektgruppe von Schülerinnen des Lessing-Gymnasiums Kamenz veranschaulicht.

In der Schlussphase des Krieges in Europa (Winter/Frühjahr 1945) erreichte der von Nazi-Deutschland begonnene Zweite Weltkrieg auch die Oberlausitz.
In diesem Krieg, dessen Ziele im Wesentlichen auf die Eroberung und Ausplünderung der überfallenen Länder und die Vernichtung des "kommunistisch-bolschewistischen Untermenschen" gerichtet waren, war die Kriegführung von Anfang an Völkermord.
Menschen, die den Erschießungskommandos der SS-Sondereinheiten und der Wehrmacht nicht zum Opfer fielen bzw. die von "wirtschaftlicher Wichtigkeit" waren, wurden in den besetzten Ländern und in Deutschland millionenfach in Zwangsarbeiterlager und Konzentrationslager verbracht. Dort mussten sie für die deutschen Rüstungskonzerne Schwerstarbeit leisten, und das bei geringster bzw. minderwertiger Ernährung. Die Unterkünfte waren menschenunwürdige, katastrophale Massenquartiere. Viele solcher Lager bestanden als Außen- bzw. Nebenlager der großen Konzentrationslager 1943-1945 auch in der Oberlausitz, u.a. in Görlitz, Zittau, Niesky, Bautzen, Kamenz, Radeberg und   Schwarzheide. Sie wurden von verbrecherischen SS-Kommandos geführt. "Vernichtung durch Arbeit" war das Ziel, denn aus den großen KZ konnten beliebig "Nachlieferungen" von Häftlingen vieler Nationalitäten angefordert werden.
Tausende Häftlinge kamen 1944/45 durch Mord, Terror, Folter, Unterernährung und Epidemien ums Leben. In den KZ-Außenlagern der Oberlausitz fielen ca. 2200 und auf den Todesmärschen ca. 1650 Häftlinge den Kugeln der SS-Mörder zum Opfer oder starben an Erschöpfung.

„Was dann losging, war ungeheuerlich …“
- die ungeheuerliche Gegenwart der Konzentrationslager wurde vielen Kamenzer Bürgern dann in den letzten Monaten des Krieges vor Augen geführt.
Mit dem Außenlager Kamenz-Herrental des Konzentrationslagers Groß Rosen schloss sich der Kreis.
Was 1933 mit den Frühen Konzentrationslagern „… losging …“ offenbarte 1944/45 den Bürgern in Kamenz, wie „… ungeheuerlich ...“ die barbarische faschistische Gewaltherrschaft mit Leben und Tod der Menschen umging.
In dem zitierten Interview fügt Hannah Arendt folgenden Satz an:
„Dies war für mich ein unmittelbarer Schock (gemeint ist der Reichstagsbrand 1933, d.H.), und von dem Moment an habe ich mich verantwortlich gefühlt. Das heißt, ich war nicht mehr der Meinung, dass man jetzt einfach zusehen kann.“

Ihrer und der Überlebenden gilt es zu gedenken!

"Sammelt geduldig die Zeugnisse über jene, die für sich und für euch gefallen sind. Eines Tages wird das Heute Vergangenheit sein, wird man von der großen Zeit und den namenlosen Helden sprechen, die Geschichte gemacht haben. Ich möchte, daß man weiß, daß es keine namenlosen Helden gegeben hat. Daß es Menschen waren, die ihren Namen, ihr Gesicht, ihre Sehnsucht und ihre Hoffnungen hatten und daß deshalb der Schmerz auch des letzten unter ihnen nicht kleiner war als der Schmerz des ersten, dessen Namen erhalten bleibt."

Am 4. Juli 2003 wandten sich Kamenzer Bürger anlässlich der Veranstaltung "Der Schornstein mahnt - ein Tag im Herrental" an die Bürger und Bürgerinnen der Stadt Kamenz mit dem Aufruf

Das millionenfache Verbrechen an Menschen vieler Nationen und Völker aus politischen, rassistischen und religiösen Gründen hat auch in unserer Stadt
und ihrer Umgebung seine grausamen Orte:

  • das KZ-Außenlager Kamenz-Herrental des KZ Gross-Rosen in der ehem. Tuchfabrik Gebr. Noßke & Co., Herrental Nr.9;
  • der "Elster-GmbH" genannte Rüstungsbetrieb der Daimler-Benz-GmbH in den ehem. Lausitzer Glaswerken (Glashütte), Grenzstraße;
  • die Todesmärsche von KZ-Häftlingen durch das Kreisgebiet und die Stadt Kamenz.

Diese Initiative setzt sich zum Ziel:

  • die Erinnerung an diese Stätten mörderischer Menschenverachtung wach zu halten und auch den kommenden Generationen zu vermitteln,
  • die Einrichtung, Gestaltung und Erhaltung von würdigen Gedenkorten an diesen Plätzen zu begleiten.

Diese Initiative will allen engagierten Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt ein Forum sein, die  diese Anliegen unterstützen und fördern möchten.

Die Erstunterzeichner dieser Initiative rufen die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Kamenz auf, sich diesem Anliegen anzuschließen.

Fünf Jahre danach - am 3. Juli 2008 - wurde der Förderverein Gedenkstätte KZ-Außenlager Kamenz-Herrental e.V. gegründet.

Ziel und Zweck dieses Fördervereins ist in seiner Satzung beschrieben:

§ 3 Vereinszweck
(1)    Zweck des Vereins ist die Förderung der Errichtung einer Gedenkstätte im Bereich des renaturierten Areals der ehem. Tuchfabrik, Herrental Nr. 9, zu unterstützen. Sie ist dem Gedenken an die Opfer des ehemaligen KZ-Außenlager Kamenz-Herrental zu widmen.
(2)     Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch Beschaffung von Mitteln durch Beiträge, Spenden sowie durch Veranstaltungen, die der Werbung für den geförderten Zweck dienen.
(3)     Zweck dieser Vereinigung ist es weiterhin
- die Konzipierung, Erstellung und Betreibung dieser Gedenkstätte aktiv zu begleiten und zu unterstützen;
- sich besonders dafür zu engagieren, dass die historisch relevanten Sachzeugen des ehem. KZ-Außenlagers erhalten und sinnvoll in die Gedenkstätte integriert werden, insbesondere, dass der Teil des Fabrikgebäudes, in dem sich die Treppe befindet, zu einem Raum für Begegnungen umgestaltet wird;
- sich den inhaltlichen Aussagen bei der Ausgestaltung dieses Raumes zu widmen.
(4)     Der Verein unterstützt Initiativen die sich der Bewahrung antifaschistischer Traditionen in Kamenz widmen